Vergewaltigung / Nötigung
Was ist Vergewaltigung bzw. sexuelle Nötigung?
Eine Vergewaltigung ist eine extreme Form von sexueller Gewalt, bei der Sexualität als Mittel zur Machtdemonstration, Demütigung und Unterwerfung eines Menschen eingesetzt wird. Als Vergewaltigung gilt jede Form des Eindringens in den Körper einer Person gegen deren erkennbaren Willen. Rechtlich gilt eine Vergewaltigung als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung. Beides sind Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung und gegen das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit.
Eine Vergewaltigung bedeutet für jede Frau und für jedes Mädchen eine massive Verletzung ihrer Persönlichkeit und körperlichen Unversehrtheit. Ihr wird der Wille einer anderen Person mit Gewalt aufgezwungen – und dies im äußerst sensiblen Bereich ihrer sexuellen Selbstbestimmung.
Eine Vergewaltigung ist immer ein massiver Angriff auf die gesamte Persönlichkeit und wird als existenzielle Bedrohung empfunden, die meistens mit akuter Todesangst einhergeht.
Beispiele für Folgen einer Vergewaltigung bzw. sexuellen Nötigung
Frauen reagieren sehr unterschiedlich auf einen sexuellen Übergriff. Er bedeutet aber immer eine massive Verletzung ihrer Integrität und kann psychisch traumatisieren. Betroffene befinden sich nach der Tat oft in einem psychischen Schockzustand, der manchmal mehrere Tage andauern kann. Allerdings gibt es kein „typisches“ Verhalten nach der Tat. Einige Betroffene brechen zusammen, andere erscheinen überkontrolliert und gefasst. Viele Frauen fühlen sich von ihrer Umwelt und sich selbst entfremdet, ihr bisheriges Leben scheint nicht mehr zu existieren.
Auch in der Folgezeit nach einer Vergewaltigung sind Betroffene häufig irritierbar und werden von einer Vielzahl zum Teil auch widerstreitender Gefühle überschwemmt: Ekel, Angst, Ohnmacht, Verzweiflung, Wut, Hass, Rachegedanken, Trauer, Scham- und Schuldgefühle sind nur einige Beispiele. Ihr Selbstwertgefühl, ihre Würde, ihre Sexualität und die eigene Körperwahrnehmung können für lange Zeit gestört sein. Viele Betroffene quälen sich mit Selbstvorwürfen und Schuldgefühlen. Wenn der Täter bekannt oder gut vertraut ist, bedeutet die Vergewaltigung darüber hinaus einen massiven Vertrauensmissbrauch.
Typische psychische Folgen eines sexuellen Übergriffs können zum Beispiel sein:
- Angstzustände (z. B. Panikstörungen, Ängste, das Haus zu verlassen, Angst alleine zu sein, Angst unter Menschen zu sein)
- Flashbacks (plötzliche, sich ungewollt aufdrängende Erinnerungen, bei denen die Tat wie real noch einmal durchlebt wird)
- Schlafstörungen, Alpträume
- Depressionen
- sexuelle Probleme
- Zwänge (z.B. Waschzwänge)
- Suizidalität
- Ess-Störungen
- Alkohol-, Drogen- und Tablettenmissbrauch
Was können Sie tun?
Viele Frauen versuchen, mit einem sexuellen Übergriff allein fertig zu werden. Erfahrungsgemäß ist die Verarbeitung des Erlebnisses ohne Hilfe und Unterstützung jedoch sehr schwierig, und es ist zu jeder Zeit, egal wie kurz oder lange die Tat her ist, sinnvoll, sich Unterstützung zu holen.
Medizinische Untersuchung
Auch wenn eine medizinische bzw. gynäkologische Untersuchung nach einer Vergewaltigung für die meisten betroffenen Frauen und Mädchen eine psychische Belastung darstellt, ist sie sehr sinnvoll und sollte möglichst umgehend nach der Vergewaltigung erfolgen – möglicherweise in Begleitung einer Vertrauensperson.
Manche Frauen bevorzugen es, die Untersuchung bei der eigenen Frauenärztin durchführen zu lassen. Das ist verständlich, da dort bereits ein Vertrauensverhältnis besteht. Unsere Einrichtung rät allerdings dazu, sich direkt an die Gewaltopferambulanz der Kieler Instituts für Rechtsmedizin (T. 0431-5973600, Arnold-Heller-Straße 3, Haus 28) zu wenden, zu der unsere Mitarbeiterinnen auf Wunsch auch begleiten können. Die Ärzt*innen dort sind geschult und wissen genau, welche Schritte für die Beweissicherung notwendig sind.
Wenn sie von einer Vergewaltigung betroffen sind, versuchen Sie vor der körperlichen Untersuchung folgendes zu berücksichtigen:
- Waschen Sie sich vor der ärztlichen Untersuchung nicht.
- Reinigen oder vernichten Sie keine Kleidungsstücke oder Slipeinlagen. Bewahren sie diese bitte in einer Papiertüte auf.
- Suchen Sie die Gewaltopferambulanz des Kieler Instituts für Rechtsmedizin auf, oder gehen Sie zu Ihrer Frauenärztin oder lassen Sie eine beweissichernde Untersuchung und Dokumentation in der Gynäkologie eines Krankenhauses vornehmen.
Rechtliche Schritte
Die Entscheidung für oder gegen eine Anzeige sollte sich allein nach den Bedürfnissen der betroffenen Frau richten. Für manche Frauen und Mädchen ist ein Strafverfahren eine unzumutbare Belastung, für andere kann es ein wesentlicher Schritt in der Verarbeitung der Gewalttat sein. Sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung ist ein sogenanntes Offizialdelikt. Das heißt, dass die Polizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet ist zu ermitteln, sobald sie von der Straftat erfährt. Dadurch kann eine Anzeige nicht wieder zurückgezogen werden.
Eine professionelle Beratung kann hilfreich sein, um eine Entscheidung für oder gegen eine Anzeige zu finden. In unseren Beratungsstellen in Kiel und im Kreis Plön können Sie sich über das Prozedere bei Strafprozessen informieren, Sie können Rechtsanwält*innen vermittelt bekommen und von einer Mitarbeiterin zu Ärzt*innen, Rechtsanwält*innen oder zur Kriminalpolizei (in Kiel ist das zuständige Kommissariat das K11) begleitet werden. Darüber hinaus begleiten wir auf Wunsch im Strafprozess. Unsere Mitarbeiterinnen sind als Psychosoziale Prozessbegleiterinnen offiziell anerkannt.
Ausführlichere Informationen zum Thema finden Sie im längeren Text zum Download rechts auf dieser Seite. Beide Textversionen sind stark gekürzte und modifizierte Fassungen des Textes auf der Website des bff. Dort finden Sie auch noch weitergehende Informationen zum Thema.